Planet Willi – Ist Willi in echt ein Außerirdischer?

Dieser Frage geht unsere Praktikantin Johanna nach.

Kurz möchte ich mich vorstellen: Mein Name ist Johanna. 2013 absolvierte ich meine Ausbildung zur Buchbinderin in Einzel- und Sonderfertigung. Zur Zeit studiere ich Erziehungs- und Bildungswissenschaft im Hauptfach und Deutsche Sprache/ Literatur im Nebenfach. Das Programm des Kinderbuchhauses scheint dies alles zu vereinen. Deshalb freue ich mich sehr, hier bis Ende März ein Praktikum machen zu dürfen.

Im Rahmen meines Studiums besuchte ich unter anderem eine Vorlesung zur Behindertenpädagogik. In dieser Veranstaltung wurde oft darüber diskutiert, wann und ob überhaupt ein Mensch als behindert bezeichnet werden dürfe. Ich freute mich deshalb, dass ich Gelegenheit bekam, die Werkstatt „Planet Willi“ besuchen zu können. Gespannt war ich besonders darauf, wie mit diesem Definitionsproblem umgegangen werden würde.

In ihrem Programm Planet Willi stellt Birte Müller ihr gleichnamiges Buch, ihren Sohn sowie sich selbst vor. Birte Müller ist keine Müllerin, wie von einem Kind geschlussfolgert wurde, sondern Autorin und Illustratorin. Ihr Buch handelt von ihr und ihrer Familie: Von ihrem Mann, ihrer Tochter Olivia und ihrem Sohn Willi. Die gibt’s alle in echt. Und ja, Willi, kann auch in echt nicht sprechen und überhaupt viele andere Dinge nicht, die andere Kinder in seinem Alter längst können. Doch Willi ist nicht in echt ein Außerirdischer. Er ist behindert. Birte Müller spricht mit den Schulklassen offen und ehrlich über ihren Sohn. Für sie stellt sich die Definitionsfrage nicht. Willi ist anders und er wird geliebt, wie er ist. Bloß als Schimpfwort akzeptiert sie das Wort behindert nicht. Und da stimmen ihr alle Kinder zu. Geärgert werden mag keiner. Sie erklärt, dass Willi nicht krank ist, denn ihm geht es gut, er braucht keine Medikamente und ist nicht ansteckend. Im Gegenzug erzählen die Kinder von ihren Erfahrungen mit behinderten Familienangehörigen, Freunden, Verwandten oder Bekannten.

Planet Willi behandelt das Thema Andersartigkeit nicht an allgemeinen Motiven sondern an einem Beispiel – am Beispiel Willi, einem Individuum. Birte Müller erzählt in ihrem Buch, wie sie mit ihrer Familie den Alltag meistert. Mit einem Kind vom einem anderen Planeten kann der oft ganz schön spannend werden. Ständig reißt Willi aus. Er versucht, fremde Menschen zu küssen oder sogar fremde Tiere. Weil Kühe Willis absolute Lieblingstiere sind, ist auf jeder Seite im Buch mindestens eine Kuh zu finden. Doch die Bilder erzählen noch mehr als nur von der Liebe zu Kühen. Auf einem Bild sieht man, dass die anderen Kinder auf dem Spielplatz Willi die Zunge herausstrecken. Willis Zunge steht auch immer ein bisschen raus. Doch die Kinder erkennen schnell, dass die Kinder im Buch Willi nicht nachmachen sondern ärgern. Olivia dagegen streckt die Zunge raus, um ihren Bruder zu verteidigen. Birte Müller versteht es, das Thema Andersartigkeit auch mit Bildern zu erzählen. So ist das Buch meiner Meinung nach für Alt und Jung gleichermaßen geeignet.

Behinderte Menschen gibt es viele und alle müssen mit ihren Hindernissen kämpfen. Planet Willi zeigt ein Beispiel und zeigt, dass es nicht schlimm ist, darüber zu sprechen. Natürlich waren die Eltern zunächst sehr traurig und erschrocken darüber, dass ihr Willi von einem anderen Planet kommt. Doch muss Birte Müller immer selbst zu lachen anfangen, wenn Willi lacht. Und Willi lacht viel. So überwiegen die schönen Momente voller Liebe doch eindeutig. Und als Birte Müller den Schulkindern „empört“ erzählt, dass Willi nach der Schule keine Lust hat, Jacke und Schuhe auszuziehen und ordentlich aufzuräumen, stellt sich heraus, dass das bei vielen Kindern zu Hause genauso ist. Da scheint Willi plötzlich gar nicht mehr so anders zu sein.

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