Vom Bild zum Text und zurück – 2. Hamburger Kinderbuchtag

Begegnen – Kennenlernen – Diskutieren – Selber machen – Vernetzen. Das war Programm beim zweiten Hamburger Kinderbuchtag im Hamburger Kinderbuchhaus

 …und dieses Versprechen lockte die Teilnehmer der Fortbildung sogar aus dem fernen Amsterdam in unsere Hansestadt.

Unter den Augen von „Paula und den Anderen“ wurde am Freitag der Blick freigegeben hinter die Kulissen des Kinderbuches. Die Teilnehmerinnen bekamen einen Einblick in die Arbeitsfelder von Kinderbuchverlegern, traditionellen Buchbindern und Illustratoren. Zur Einstimmung auf das Tagesprogramm führte Dr. Dagmar Gausmann-Läpple durch die Ausstellung und bereits hier wurde deutlich, welche Vielfalt allein der Bereich des Bilderbuchs in Form, Inhalt und Möglichkeiten aufweist.

Wunderleporello-Buch ­ selbstgemacht
Um ganz spezielle Bücher ging es im Anschluss in der Werkstatt des Kinderbuchtages. Die Praxisstunde im Buchbinden war für die viele Teilnehmer ein besonderes Highlight. Unter der Leitung von Buchbindemeisterin Karen Begemann stellte jeder sein eigenes „Wunderleporello-Buch“ her – zwischen den zwei Buchdeckeln entfalten sich beim Öffnen kunstvoll gefalzte Seiten. Das Handwerk des Buchbindens stellt laut der Dozentin neben den Massenfertigungen heute eine Nische dar, die aber auch weiterhin neue Liebhaber findet.

„Lesen lernen beginnt mit dem Lesen der Bilder“
Dieses Motto des Kinderbuchhauses war auch Kern des Vortrags von Frank Kühne. Der Programmleiter des Carlsen Verlags vermittelte den Zuhörern einen Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen eines Kinderbuchverlages. Im Zentrum stand die Frage: Wie werden junge Leser an einen Text, eine Buchseite voller Buchstaben, herangeführt? Wer nicht bereits früh lernt, Abstraktionen zu lesen und das eigene „Kopfkino“ einzuschalten, wird mit geschriebenen Geschichten auch in älteren Jahren nicht viel anfangen können. Der Carlsen-Verlag führt Kinder mit seinen Büchern daher langsam an den langen Fließtext heran. Dabei spielen vor allem zu Beginn haptische und allgemein sinnliche Reize eine große Rolle, ab dem Alter von drei Jahren können mit Bildern kleine Geschichten erzählt werden, deren Bebilderung im Laufe der Zeit weiter abstrahiert und reduziert wird, bis schließlich ein Text gelesen werden kann und sich die Bilder im Kopf dabei automatisch formen, ohne die Unterstützung von Illustrationen zu brauchen. Vom Erfassen eines dreidimensionalen, realen Gegenstandes bis zur Annahme eines Fließtextes braucht der Mensch acht Jahre.

„Kreativität ist ein scheues Reh …“
Bilder sind aber nicht nur Mittel zum Zweck, sie faszinieren auch im Erwachsenenalter, wenn das eigene „Kopfkino“ schon in vollem Betrieb ist. Die Illustratorinnen Katja Kamm und Henriette Sauvant gaben mit ihren Präsentationen einen Einblick in ihre Arbeitsweisen. Wie die Künstlerinnen ihre Bilderbücher entwickeln, könnte unterschiedlicher nicht sein. Den kritischen Verstand so klein wie möglich halten ­ so entstehen aus kindlich-spielerischen Zeichnungen Katja Kamms Illustrationsideen und am Computer schließlich spannende Bilderbücher, die komplett ohne Text auskommen. Ein Bild führt zum nächsten und von Seite zu Seite. Ihre Herangehensweise unterscheidet sich in vielen Punkten von dem klassischen Illustrationsprozess Henriette Sauvants.

„Illustration ist, das Leben mit allen Erscheinungsformen wahrzunehmen.“
Am Beispiel des Märchens „Der Froschkönig“ veranschaulichte Henriette Sauvant, wie sie in einem langwierigen Prozess eine Interpretation zu einem zugrundeliegenden Text und schließlich ein Bildkonzept und aufwendige, vielschichtige Illustrationen erarbeitet. Ihre Arbeit umfasst neben den inhaltlichen Recherchen zu einem Stoff und dem Herantasten an die passende Stimmung der Bilder bis zu 150 Skizzen, Materialproben, Vorstudien und Raumkonstruktionen, bis ein Ergebnis an der Staffelei entsteht. Für die Künstlerin öffnen sich beim illustrieren neue Welten. Der Vielfalt an Illustrationsmöglichkeiten sind dabei, wie die ganz unterschiedlichen Arbeiten der vortragenden Künstlerinnen und die im Kinderbuchhaus ausgestellten Werke zeigen, keine Grenzen gesetzt.

Nächstes Jahr wieder ­ Wir freuen uns schon auf den 3. Hamburger Kinderbuchtag!
Der zweite Hamburger Kinderbuchtag bot Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Gattung Kinderbuch. Zusammen mit den Teilnehmern aus handwerklichen, sozialen, schulischen und kulturellen Arbeitsfeldern sowie dem Verlagswesen hatten wir die Möglichkeit, das Objekt Buch von verschiedenen Seiten zu erfahren, die unterschiedlichen Bereiche der Buchproduktion kennenzulernen und den kreativen Prozess hinter den Bildern zu verstehen.

Mitwirkende und Dozenten des Hamburger Kinderbuchtages:
Karen Begemann, Obermeisterin der Hamburger Buchbinderinnung, Anleitung zum Binden eines eigenen Buches
Dr. Dagmar Gausmann-Läpple, Geschäftsführerin und Programmleiterin im Hamburger Kinderbuchhaus, „Lesen lernen beginnt mit dem Lesen der Bilder“ – das Hamburger Kinderbuchhaus, seine Konzeption, Geschichte und Rolle in der Hamburger Kinderbuchszene
Kerstin Hof, Literaturwissenschaftlerin, Autorin, Supervisorin, Projektleitung weiterBilden im Hamburger Kinderbuchhaus, Moderation
Katja Kamm, Illustratorin und ausstellende Künstlerin, „Spielerisch zeichnen und wie daraus Bilderbücher entstehen“
Frank Kühne, Geschäftsleiter Carlsen Verlag, zum Thema „Vom Bild ohne Wort zum Wort ohne Bild“
Henriette Sauvant, preisgekrönte Kinderbuchillustratorin, „Von der Idee zum Bilderbuch“

Idee und Konzept der Fortbildung: Frank Kühne und Kerstin Hof.

Dieser Beitrag wurde unter Überblick Programm veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.