Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen

Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen

…so hat Kirsten Boie ihr 2013 im Friedrich Oetinger Verlag erschienenes Buch genannt. Darin finden sich vier Geschichten, in denen das mühselige, viel zu schwere Alltagsleben von Aidswaisen in Swasiland beschrieben wird.

Ja, es ist fast unglaublich, dass diese Kinderschicksale alle wahr sind und dennoch beschrieben werden können. Kirsten Boie hat Worte gefunden, die sie zu bewegenden Geschichten gefügt hat. Regina Kehn hat den Ton, die Färbung der Worte in sich aufgenommen und sich und für uns Bilder gemacht, von der Kargheit und der Schwere des Lebens und Überlebens der Kinder und von der bitteren Schönheit einer Landschaft, die zwar fruchtbar ist, aber nicht die Menschenkräfte nährt, um diese Fruchtbarkeit zum Leben zu erwecken. Kirsten Boies Geschichten, Regina Kehns Bilder zeigen, dass es Dinge gibt, die unbeschreiblich scheinen, die dennoch Gehör und Ausdruck finden müssen und können. Dafür haben wir Literatur und BIldende Kunst. Zu uns, in´s Hamburger Kinderbuchhaus, kamen also Kirsten Boie und Regina Kehn, um Schülern einer 7. Klasse des Gymnasiums Ohlstedt fast zwei Stunden lang zu erzählen über Lebensumstände, die wenig gemeinsam haben mit dem, was wir hier unter Kindheit verstehen. Mit ihrer leise und deutlich klingenden Stimme, die niemals in´s Sentimentale übergeht, begleitet von freundlichen Blicken in die aufmerksame Runde der Kinder las Kirsten Boie eine Geschichte aus dem Buch, Regina Kehn malte dazu, mit schwarzen und rot-braunen Kreiden auf ein großes Flipchartpapier. Es schien, als male sie wie im Fluß, so wie eine Musikerin eine Sängerin begleiten würde.

Am Ende hatten die Kinder der Geschichte sehr still zugehört, vor unseren Augen entstanden dazu Bilder der Landschaft, in denen sich das Gehört wohl abgespielt haben mag. Sichtlich beeindruckt engagierten sich die Kinder dann in der anschließenden Gesprächszeit. Die Fragen der Kinder betrafen das Buch: Sind denn die Geschichten alle wahr, die da drin stehen? Gibt es den Jungen wirklich? Woher kennen Sie denn das alles so genau? Was bringen sie den Kindern mit, wenn Sie sie besuchen? Wasser?

Auch Regina Kehn wurde gefragt, ob sie schon in Swasiland war? Nein, kam die Antwort, die Bilder sind meine Interpretation dessen, was ich empfinde, wenn ich Kirsten Boies Geschichten lese. Ihre Fotos haben mir auch geholfen, aber sie sind nicht die Grundlage der Bilder.

Von dieser besonderen Werkstatt im Hamburger Kinderbuchhaus könnten wir alle noch viel mehr berichten. Es ist ein Glück, dass solche Lesungen möglich sind. Danke an Regina Kehn, die uns gezeigt hat, das illustrieren „erhellen“ meint. Danke vor allem Kirsten Boie, die sich schon lange Jahre in Swasiland für die MobiDiK Stiftung engagiert, die viel Elend selbst gesehen hat und die genau die richtigen Worte gefunden hat, um davon zu erzählen.

http://www.mobidik-swasiland.org

P.s.: Das Buch „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“ erhielt u.a. den Jahres-LUCHS der ZEIT und Radio Bremen. Im Hamburger Kinderbuchhaus sind noch bis Ende April sämtliche LUCHSE seit der Stiftung dieses Literaturpreises im Jahr 1986 und dazu ausgewählte Illustrationen zu sehen.

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